Mädchenliebe: Blau ist eine warme Farbe
Marcel Winatschek
Gleich vorweg: Ich habe so oft zu der Sexszene zwischen Adèle Exarchopoulos und Léa Seydoux im französischen Film Blau ist eine warme Farbe von Abdellatif Kechiche, nach der Comicbuchvorlage von Julie Maroh, onaniert, dass ich mein Penis Schmerzensgeld dafür zahlen müsste. Keine Vagina, kein Porno und keine Paula haben mich jemals so sehr angemacht, wie diese paar, auf Zelluloid festgehaltenen Minuten. Worum geht's? Adèle ist eine introvertierte fünzehnjährige Gymnas…

MädchenliebeBlau ist eine warme Farbe
Gleich vorweg: Ich habe so oft zu der Sexszene zwischen Adèle Exarchopoulos und Léa Seydoux im französischen Film Blau ist eine warme Farbe von Abdellatif Kechiche, nach der Comicbuchvorlage von Julie Maroh, onaniert, dass ich mein Penis Schmerzensgeld dafür zahlen müsste. Keine Vagina, kein Porno und keine Paula haben mich jemals so sehr angemacht, wie diese paar, auf Zelluloid festgehaltenen Minuten.
Worum geht's? Adèle ist eine introvertierte fünzehnjährige Gymnasiastin. Als sie eines Tages die Straße überquert, geht sie an einem Mädchen mit kurzen blauen Haaren vorbei und fühlt sich sofort von ihm angezogen. Später verabredet sie sich mit einem Jungen aus der Schule namens Thomas und schläft mit ihm. Aber eigentlich will sie keinen wandelnden Penis, also macht sie mit ihm Schluss. Nachdem sie lebhafte Fantasien über das Mädchen hat, das sie auf der Straße gesehen hat, und eine ihrer Freundinnen sie geküsst hat, ist sie über ihre sexuelle Identität beunruhigt.
Ihr bester Freund, der schwule Valentin, scheint ihre Verwirrung zu verstehen und nimmt sie in eine homosexuelle Tanzbar mit. Nach einiger Zeit verlässt Adèle das Etablissement und geht lieber in eine Lesbenbar, wo sie von einigen notgeilen Frauen bedrängt wird. Das blauhaarige Mädchen ist ebenfalls dort und greift ein und verscheucht die aufdringlichen Frauen, indem es behauptet, Adèle sei seine Cousine für diejenigen.
Bei dem Mädchen handelt es sich um Emma, eine graduierte Kunststudentin. Sie freunden sich an und beginnen, mehr Zeit miteinander zu verbringen. Adèles Freunde verdächtigen sie, lesbisch zu sein, und ächten sie in der Schule. Trotz der Gegenreaktion nähert sie sich Emma an. Ihre Bindung wächst, und schon bald küssen sich die beiden bei einem Picknick. Später haben sie Sex und beginnen eine leidenschaftliche Beziehung.
Emmas künstlerisch veranlagte Familie empfängt das Paar sehr herzlich, aber Adèle erzählt ihren konservativen Eltern aus der Arbeiterklasse, dass Emma nur eine Nachhilfelehrerin für den Philosophieunterricht ist. Tatsächlich ist die Handlung von Blau ist eine warme Farbe vollkommen irrelevant. Das Einzige, was zählt, ist die Sexzene, drumherum geht es um die erste kleine Liebe und Individualität und etwas Kummer. Egal.
Doch nachdem ich diese eine Szene gesehen habe, weiß ich, dass Typen mich ab jetzt mal kreuzweise können, beziehungsweise eben gerade nicht mehr, und dass ich seitdem so dermaßen den Drag verspüre, in die Arme williger Frauen zu fallen, dass ich meinen Job kündigen werde, um von nun an im besten Lesbenclub der Stadt zu wohnen – wo immer der auch sein soll.
Diese eine legendäre Sexszene von Adèle Exarchopoulos und Léa Seydoux war quasi eine sexuelle Erleuchtung für mich, so schön, so leidenschaftlich, so explodierend - und gleichzeitig überkam mich die Trauer darüber, dass ich niemals die feuchtfröhliche Erfahrung lesbischer Liebe machen werde. Unser Gott ist eben ein grausamer Gott.
Wer immer auf die Idee kam, diese zwei Göttinnen aufeinander zu werfen und mir so einige Dinge klar werden zu lassen, der verdient jeden Preis der Welt, vom Friedensnobelpreis über den Oscar bis hin zum Publikumspreis der Freien Interkulturellen Waldorfschule in Mannheim. Blau ist eine warme Farbe hat meine sexuellen Grenzen gesprengt - und vielleicht schafft der Film das auch bei euch.
Sonntag, der 7. Juni 2015
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