Die große Budgetlüge: Blogger ficken leicht gemacht
Marcel Winatschek
Es läuft doch so ab. PR-Agenturen aus der ganzen Welt stopfen uns tagtäglich mit mehr oder minder interessanten Werbemails zu. Darin erklären sie uns dann in kilometerlangen warmen Worten, warum diese Band oder diese Neueröffnung oder dieses Produkt oder dieser Künstler oder dieses Video oder diese Kinderpornoseite das absolut Beste sein soll, was der Welt jemals passiert ist. Und ich es mir nicht nur ansehen, sondern sofort per Vorstellung, Zwischenmeldung und Nachb…

Die große BudgetlügeBlogger ficken leicht gemacht
Es läuft doch so ab. PR-Agenturen aus der ganzen Welt stopfen uns tagtäglich mit mehr oder minder interessanten Werbemails zu. Darin erklären sie uns dann in kilometerlangen warmen Worten, warum diese Band oder diese Neueröffnung oder dieses Produkt oder dieser Künstler oder dieses Video oder diese Kinderpornoseite das absolut Beste sein soll, was der Welt jemals passiert ist. Und ich es mir nicht nur ansehen, sondern sofort per Vorstellung, Zwischenmeldung und Nachbericht auf meinem Blog veröffentlichen soll.
Natürlich ist das meiste purer Müll und die armen Menschen, die den Scheiß mit ihrem vor Metaphern triefenden Werbejargon ins rechte Licht rücken müssen, können einem fast schon leid tun. Irgendwelche pubertierenden Bands. Oder dubiose Onlineshops. Oder Elektroschrott, den kein normaler Mensch je braucht. Da finde ich es manchmal fast schade, dass Emails kostenlos verschickt werden dürfen.
Was nicht sofort auf Knopfdruck im ewigen Digitalnirvana landet, wird genauer betrachtet. Event-Einladungen zum Beispiel. Kreative Dinge. Zeugs, das uns Spaß macht und euch umso mehr. Den richtig geilen Scheiß, der uns beim Durchlesen oder Ansehen die Harnröhre kitzeln lässt, den hauen wir gerne raus. Auch kostenlos. Wenn uns junge Künstler ein atemberaubend gutes Portfolio oder frische Bands herausragendes Material zusenden, dann geht das on air. So schnell wie möglich. Weil’s wirklich gut ist.
Für Stuff, hinter dem eine fette PR-Agentur steckt und dahinter womöglich noch ein noch fetterer Konzern hängt, verlangen wir Geld. Logisch. Schließlich ist das meist pseudovirale Werbung und für die können die gerne mal was springen lassen. Die haben’s ja. Dabei passen wir natürlich auch auf, was wir euch hier als gesponserte Artikel um die Ohren jagen. Nur Partner, die überraschend optimal in die kleine Welt von AMY&PINK passen, haben eine Chance – alles andere würde weder euch noch uns noch denen was bringen.
Also schreiben wir den netten Menschen Mails zurück, in denen wir ihnen ein angemessenes Preisangebot unterbreiten. Für den und den Betrag schreiben wir ihnen einen geradezu grandiosen Artikel, der vor Wortwitz und Sympathie und Geilheit nur so strotzt und Werbung in Liebe verwandelt. Viele unserer bisherigen Kunden wie MTV, Nokia oder Telekom waren begeistert und setzen auch immer wieder gerne auf uns.
Andere Agenturen und Firmen sind aber anscheinend entweder noch nicht im Internet angekommen oder sie denken, sie könnten uns verarschen. Wer uns nicht gerade beinahe entsetzte Antworten mit Unverständnis schickt, wie wir für einen Artikel auch noch etwas verlangen und doch froh sein sollen, dass wir ihren Namen verwenden dürfen, versuchen uns andere wiederum mit Wertlosigkeiten einzulullen. Von Gutscheinen über billige Kooperationen bis hin zu Linktausch ist alles dabei, was uns zum Kotzen bringt. Budget, welches Budget?
Die bezaubernde Maria von Stylekingdom hat sich darüber bereits genauso verständlich aufgeregt wie Ashe von Independent Fashion Bloggers oder Mary von Stil in Berlin. Es ist die gleiche Frage, die sich auch Fernsehsender, oder Printmagazine stellen würden, wenn sie denn nicht bereits etabliert wären: Warum sollen wir für jemanden Werbung machen und ihnen so zu erhöhten Gewinnen verhelfen, wenn wir von denjenigen unangemessen bis gar nicht dafür bezahlt werden?
Blogs oder Onlinemagazine finanzieren sich eben nicht von Luft und Liebe. Noch nicht. Server, Miete, Chickendöner, Fahrtkosten, MDMA, Verträge, Puffbesuche, Zeit… Das alles kostet uns jede Menge Geld, das wir nur wieder herein bekommen, wenn wir einen kleinen Teil unserer Veröffentlichungen Firmen zur Verfügung stellen, die die Reichweite unserer Arbeit nutzen möchten und gleichzeitig zu unserem Erhalt beitragen. Denn eines sei mal gesagt: Ohne Werbung würde es uns in dieser Form nicht geben. Das verstehen sogar Steine.
Doch daran sind auch die Blogger selbst schuld. Wenn riesige Konzerne Massenmails verschicken, um ahnungslose Seiten dazu zu überreden, jede Woche ein paar “exklusive” Werbevideos zu posten, nur um eine geringe Aussicht auf irgendeine Reise zu irgendeiner Veranstaltung zu haben, dann ist das einfach dumm. Diese Firmen und die daran hängenden Agenturen verdienen sich durch euer Können eine goldene Nase und ihr lasst das auch noch zu, ohne einen Cent davon zu sehen. Freiwillige Sklavenarbeit in Zeiten der digitalen Revolutionen.
Also noch einmal für Idioten. Blogger: Lasst euch nicht verarschen. Firmen: Bezahlt gefälligst angemessen für gute Werbung. Es ist großartig, welche ungeahnten Möglichkeiten das Internet uns allen bietet. Also lasst uns diese fair und gekonnt nutzen und nicht das gerade aufbauende Vertrauen damit zunichte machen, dass Menschen ohne Ahnung eklige Vorteile aus dem Schaffen anderer schlagen möchten. Das würde garantiert nicht lange gutgehen und zum Schluss sind wir alle pleite. Aber dann würde es wenigstens keine nervigen Werbemails mehr geben…
Mittwoch, der 4. Oktober 2017
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