Ich bin Deutsch: Von Sauerkraut, Kartoffeln und Baumkuchen
Marcel Winatschek
Es muss so in den frühen Achtzigern gewesen sein, als ich mich dafür entschieden habe, meine meisterhaften Artikel auch in einer englischen Version anzubieten und so einem internationalen Publikum zugänglich zu machen. Kurz nach Rockys drittem Sieg und lange vor dem Mauerfall. Die Technik passte, der Wille war da und auch die Muse, mir jeden einzelnen Text herauszufischen und ihn sorgfältig in eine andere Sprache zu übersetzen, platzte geradezu aus mir heraus. Große…

Ich bin DeutschVon Sauerkraut, Kartoffeln und Baumkuchen
Es muss so in den frühen Achtzigern gewesen sein, als ich mich dafür entschieden habe, meine meisterhaften Artikel auch in einer englischen Version anzubieten und so einem internationalen Publikum zugänglich zu machen. Kurz nach Rockys drittem Sieg und lange vor dem Mauerfall. Die Technik passte, der Wille war da und auch die Muse, mir jeden einzelnen Text herauszufischen und ihn sorgfältig in eine andere Sprache zu übersetzen, platzte geradezu aus mir heraus. Große weite Welt, here we go!
Das lief dann einige Jährchen ganz gut, ich penetrierte das Internet mit meinen Gehirnergüssen und heimste weltweit Preise für meine mehr als ausgezeichneten Verdolmetschungen ein. Zwischenzeitlich halfen mir sogar eine ehrenamtliche Mitarbeiter dabei, die Weltherrschaft noch schneller an mich zu reißen und ich belohnte sie mit kostenlosen Schuhen und Mittagessen mit anschließender sexy Time.
Doch schon bald zogen graue Wolken ins pseudobritische Vorland. Denn die in Stein gehämmerte Entscheidung, jedes verdammte Wort auch in einer internationalen Edition anzupreisen, wurde zu einer Zeit getroffen, als ich wöchentlich nur zwei Sätze und ein paar persönliche Bumsfotos veröffentlichte und mich den Rest der Zeit mit kleinwüchsigen Asiatinnen an der Cote D’azur Cocktails um die Ohren warf.
Nach der Wirtschaftskrise war ich schließlich gezwungen, an drei bis achtundzwanzig Artikeln pro Wochentag in meinem dunklen Keller zu werkeln und glaubt mir: Der Gedanke, dass ich jeden davon auch noch ins Englische portieren musste, ließ mich schnell an Albträumen und Schüttelfrost leiden. Irgendwann fing ich an, die langen Texte klammheimlich nur noch in den Google Translator zu hauen.
Was dabei heraus kam, durften abenteuerlustige Klicker am eigenen Leib erfahren, wenn sie die globale Version meines Blogs besuchten. Peinliche Texte ohne Sinn und Verstand, Fehler ohne Ende, ein unabhängiges Institut versicherte uns, dass ich für vier von fünf Gehirntumore in Übersee verantwortlich war. So konnte das einfach nicht weiter gehen.
Deshalb habe ich kurzerhand den Stecker gezogen und biete diesen Blog ab jetzt nur noch in deutscher Sprache an. Für viele wird das keine große Veränderung darstellen, aber ich habe einfach ein besseres Gewissen, wenn ich Kenntnis davon habe, dass sich bekiffte New Yorker Teenager durch meinen Blog nicht ins Delirium lachen können. Verabschieden wir uns also mit Tränen vom anderen Blog, schreiben ab jetzt nur noch über Sauerkraut, Kartoffeln und Baumkuchen und stampfen auch gleich noch die verkorksten Pläne ein, diese Seite auf Russisch, Schwedisch und Japanisch anzubieten. Goodbye.
Samstag, der 31. Oktober 2015
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