Wut, Hass, Ernst: Der deutsche Feminismus nervt
Marcel Winatschek
Wenn ihr eure Körper mal auf eine dieser selbsthuldigenden Blogger-Events schleift, dann werdet ihr schnell feststellen, dass ihr im Grunde nur die Auswahl zwischen vier verschiedenen Themen habt. Mode, Politik, Technik – und Feminismus. Während ich bei Modetagungen nur blöd mit einem Gläschen Champagner in der Ecke stehe, weil ich nun mal keine Ahnung von der neuen Versace-Kollektion habe, bei der Politik immer lieber ein bisschen links verweile und der Technik mit…

Wut, Hass, ErnstDer deutsche Feminismus nervt
Wenn ihr eure Körper mal auf eine dieser selbsthuldigenden Blogger-Events schleift, dann werdet ihr schnell feststellen, dass ihr im Grunde nur die Auswahl zwischen vier verschiedenen Themen habt. Mode, Politik, Technik – und Feminismus.
Während ich bei Modetagungen nur blöd mit einem Gläschen Champagner in der Ecke stehe, weil ich nun mal keine Ahnung von der neuen Versace-Kollektion habe, bei der Politik immer lieber ein bisschen links verweile und der Technik mit meinem fast jährlichen Kauf des neuen iPhones Buße tue, werde ich bei Panels, die sich um Frauenrechte drehen, immer so wütend und gelangweilt gleichzeitig, dass ich am liebsten den Stuhl anzünden und laut losschreien würde.
Ich bin in einer Generation aufgewachsen, in der selbstbewusste, starke und inspirierende Frauen die Selbstverständlichkeit waren. Im Kindergarten, in der Schule, im Arbeitsalltag, unter Freunden – ich konnte nicht einmal nachvollziehen, warum irgendwer irgendwo ernsthaft laut von sich geben konnte, dass Frauen weniger Rechte oder Chancen oder Möglichkeiten haben sollten als Männer, ohne dafür laut ausgelacht zu werden.
Typen, die in Talkshows predigten, dass sie nur Jungfrauen ficken würden, dass der Herd der geeignete Platz für Fotzen ist, dass ein paar Schläge am Tag normal seien, um die Alte wieder zur Vernunft zu bringen. Solche Aussagen nahm ich nicht einmal ernst, dachte sie wären von einem geldgeilen RTL-Team geschrieben worden, um das Publikum gegen sie aufzubringen, so weit hergeholt war dieser Scheiß für mich.
Das alles gehört für mich in die gleiche Kategorie wie Rassismus, Klassismus oder, ja, Kannibalismus: Begriffe aus einer alten, fast schon mystischen Zeit, in der reiche Typen Sklaven hielten und missbrauchten, Prinzen keine Hofmägde heiraten durften, Seefahrer von Buschmenschen verspeist wurden. So abwegig und fernab jeder modernen Realität, dass ich nichts davon ernst nehmen kann. Warum auch?
Mein tiefherziger Respekt gilt allen starken Frauen, die sich jemals gegen die Diskriminierung von Geschlechtern eingesetzt haben. Im großen wie im kleinen Stil. Die sich selbst, ihre Familie, ihre Freunde aufgegeben haben, die gekämpft haben, die ihr Leben gegeben haben, um zu beweisen, dass Menschen nicht weniger wertvoll sind, nur weil sie keinen Penis zwischen den Beinen baumeln haben.
Warum überkommt mich dann trotzdem diese unruhige Mischung aus Wut, Humorlosigkeit und Langeweile, wenn ich eine feministische Publikation lese oder einer feministischen Rede zuhöre, obwohl ich doch ihre Forderungen, ihre Botschaften, ihre Ziele im Großen und Ganzen vollends unterstütze? Weil die feministische Bewegung nur aus wütenden, humorlosen und langweiligen Menschen besteht.
Sie wollen den Salzstreuer in Salzstreuerin umbenennen und meinen das ernst. Sie fordern eine bundesweite Frauenquote, die doch im Endeffekt nur wieder die längst angestaubte Geschlechterteilung unterstützt, und meinen das ernst. Sie gehen auf Slutwalks und meinen das ernst. Sie verleumden die menschliche Sexualität und meinen das ernst. Sie folgen Alice Schwarzer und meinen das ernst. Sie hassen Männer. Und meinen das ernst.
"Beim bloßen Aussprechen des Wortes Feminismus explodiert in nicht wenigen Köpfen eine gigantische Bombe", meint Vorzeigebloggerin Nike van Dinther. "Zusammengesetzt aus stereotypen Sichtweisen, Bildern von Achselhaar oder Mademoiselle Peaches, wie sich auf der Musical-Bühne einen Plastikpenis umschnallt, von unattraktiven Politikerinnen, von der grausamen Alice Schwarzer und richtig fiesen Männerhasserinnen."
"Wer sich jetzt fragt, wieso man sich denn zwangsläufig einer Gruppe zugehörig fühlen muss, dem lege ich eine Antwort auf meine Frage bezüglich dieser Thematik in einem Bloggerforum ans Herz: Weil es das zwischenmenschliche Agieren erleichtert, wenn man Dinge, Menschen, Einstellung etc. unter einem Begriff zusammen fassen kann und man Gleichgesinnte schneller findet." Und da hat sie Recht.
Im Grunde sollte jeder moderne, intelligente und aufgeklärte Mensch ein Feminist sein. Er sollte sich für die Rechte aller Menschen einsetzen, gegen Ungerechtigkeit, für Aufklärung, gegen Diskriminierung. Aber wenn die Bewegung, die eben diese Ziele mit aller Kraft verfolgt, so uninspirierend, so weltfremd und so unsympathisch auftritt, dann ist Antipathie und ein damit verbundener Abstand vorprogrammiert.
Der Feminismus in Deutschland und auf der Welt würde es um einiges einfacher haben und auch viel mehr männliche Unterstützer haben, wenn er nicht nur moderne Forderungen hätte, sondern diese eben auch modern präsentieren würde. Weg von der dieser unglaublichen Ernsthaftigkeit, weg von diesen Klischees, die er immer noch verkörpert, weg von dieser Verbissenheit, dieser Wortwahl, diesen Idolen.
Wir alle, egal ob Frauen, Männer oder andere, wünschen uns einen jüngeren, frischeren und umgangsfreundlicheren Feminismus, der dem heutigen Zeitgeist entspricht, den wir freiwillig verteidigen, den wir gerne und selbstverständlich leben. Der diese brennende Herzenslust in jedem Einzelnen von uns aktiviert, damit wir alle gemeinsam daran arbeiten können, dass Gleichberechtigung von ganz allein Einzug in unsere Gesellschaft findet. Ohne Quoten. Ohne Wortvergewaltigungen. Und ohne, dass ich am liebsten den Stuhl anzünden und laut losschreien würde.
Donnerstag, der 28. November 2019
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