NieR:Automata: Die Hoffnung stirbt zuletzt
Marcel Winatschek
Von hier oben kann man die saftig grünen Wiesen, das azurblaue Meer und den klaren, sonnigen Himmel sehen. Sanfte Pianoklänge hallen durch die wild bewachsenen Hochhäuser. Die verfallenen Gebäude sind die letzten Mahnmale an eine Zivilisation, die nicht auf ihren jähen Abschied vorbereitet war. Invasoren aus einer anderen Welt greifen in der fernen Zukunft ohne Vorwarnung die Erde an und entfesseln dort maschinelle Lebensformen, um den Planeten zu übernehmen. Angesic…

NieR:AutomataDie Hoffnung stirbt zuletzt
Von hier oben kann man die saftig grünen Wiesen, das azurblaue Meer und den klaren, sonnigen Himmel sehen. Sanfte Pianoklänge hallen durch die wild bewachsenen Hochhäuser. Die verfallenen Gebäude sind die letzten Mahnmale an eine Zivilisation, die nicht auf ihren jähen Abschied vorbereitet war.
Invasoren aus einer anderen Welt greifen in der fernen Zukunft ohne Vorwarnung die Erde an und entfesseln dort maschinelle Lebensformen, um den Planeten zu übernehmen. Angesichts dieser unüberwindbaren Bedrohung werden die Menschen von ihrer Heimat vertrieben und flüchten auf den Mond.
Der Rat der Vertriebenen organisiert einen technoligisch scheinbar überlegenen Widerstand von Androidensoldaten, die versuchen, die Erde zurückzuerobern. Um die Blockade endgültig zu durchbrechen, setzt die Organisation eine neue Einheit von Infanteristen ein: YoRHa.
In der verlassenen Einöde, die einst ein von Trubel und Gelächter durchsetzter Ort war, tobt derweil der Kampf zwischen Maschinen und Androiden weiter. Ein Krieg, der vielleicht schon bald die lange vergessene Wahrheit über diese Welt und das Schicksal der Menschheit ans Licht bringen wird...
Das im Jahr 2017 erschienene Rollenspiel NieR:Automata des japanischen Künstlers Yoko Taro hätte aufgrund seiner Prämisse leicht in den Tiefen gleichgeschichtlicher Titel versinken können. Außerirdische Monster greifen die Erde an, während die Menschheit verzweifelt um ihr Überleben kämpft. Als hätte man so etwas nicht schon tausende Male vorher gesehen, gehört und gespielt...
Doch während man all die anderen Werke bereits kurz nach der mehr oder weniger müßigen Vollendung wieder vergessen hat, denkt man auch nach Jahren immer wieder an das zurück, was man im bildgewaltigen Nachfolger von NieR Replicant erlebt hat. Weil das Ende der Welt selten zuvor so radikal depressiv, hoffnungslos und philosophisch schwermütig war.
Die traurigen Themen in Nier sind nicht unbedingt die übergreifenden an sich, aber es war bei Replicant sogar beabsichtigt, diese Art von traurigem Spiel zu machen
, erklärt Yoko Taro dem Onlinemagazin Gamespot. Der Grund für die Entwicklung eines solch traurigen Dramas war die Idee, eine normalere Geschichte zu schreiben. Es sollte keine besonders traurige Story werden, aber die vorherige Serie, Drakengard, war extrem brutal und grausam. Im Vergleich dazu wollten wir es ein wenig eindämmen, es sozusagen ein wenig normaler machen.
Aber bei NieR Replicant war es dann doch eher traurig
, fährt er fort. Viele Leute haben sich dazu geäußert, wie traurig es war. Also haben wir uns bei der nächsten Folge, Automata, für etwas entschieden, das ein bisschen anders war und eine andere Perspektive einnahm. Aber am Ende scheinen die Leute auch das als eine traurige, leidvolle Geschichte wahrgenommen zu haben. Ich habe sozusagen meine Grenzen als Schöpfer erkannt. Ich habe das Gefühl, dass das, was ich geschaffen habe, sich wieder als traurig herausgestellt hat und ich nicht viel Abwechslung zu bieten habe. Also habe ich mich darauf besonnen.
Von klein auf war ich jeden Tag in Spielhallen unterwegs
, erinnert Yoko Taro sich auf die Frage von Game Informer, was ihn dazu inspiriert hat, Spiele zu kreieren. Damals galten Videospiele als etwas, das Außenseiter spielten. Als Otaku hatte ich also Angst, wenn ich Spiele spielte. Ich könnte ewig weitermachen, wenn ich anfangen würde, die Spiele aufzuzählen, die ich mochte, aber der Titel, der mich dazu brachte, selbst welche zu machen, war Gradius. Ich erinnere mich noch daran, wie schockierend es war, ein Spiel zu sehen, bei dem die Abschnitte sich verändern, und das zu einer Zeit, als sich wiederholende Szenen beliebt waren. Schon als Kind wusste ich, dass die Computergrafik sich weiterentwickeln würde, und so beschloss ich, in die Spieleindustrie einzusteigen, weil ich sicher war, dass Spiele die Filme übertreffen und alle anderen Videomedien in den Schatten stellen würden.
Ich habe mich von den Produkten selbst beeinflussen lassen, die ich für spektakulär hielt
, besinnt Yoko Taro sich weiter. Ico auf der PlayStation 2 von Sony und Ikaruga auf dem Dreamcast von Sega sind einige repräsentative Spiele, und ich habe auch die großartigen Funktionen vieler anderer großartiger Titel kopiert... äh, mich von ihnen inspirieren lassen, als ich mein eigenes Spiel entwickelte.
Ich meine, natürlich habe ich schon immer gerne viel getrunken
, gesteht er seine Liebe zum Alkohol. Ich erinnere mich, als ich die Szenarien und Geschichten für die vorherigen Spiele geschrieben habe, ist mir aufgefallen, dass all die Sachen, die ich geschrieben habe, als ich nicht mehr richtig bei der Sache war, eigentlich die Sachen waren, die alle wirklich mochten. Und ich dachte: Warum zum Teufel sollte ich etwas daran ändern? Es hat ja geklappt. Wenn ich trinke, werde ich ein bisschen beschwipst und albern, und ich verliere meine Hemmungen. Diese Art von hemmungslosem Geschichtenschreiben kommt nur heraus, wenn ich trinke, also versuche ich jetzt definitiv, viel mehr zu trinken, wenn ich schreibe.
Es ist sehr interessant
, fährt Yoko Taro fort. Wenn ich nüchtern schreibe, denke ich: Ah ja, das ist eine tolle Geschichte, die schreibe ich, die werde ich verwenden. Aber es ist ganz anders, wenn ich angefangen habe zu trinken. Ich lasse mich einfach darauf ein und bekomme eine emotionale Verbindung zu den Figuren. Ich fange dann an zu weinen und denke: Wow, das ist eine wirklich traurige Geschichte! Ja, deshalb finde ich es besser. Dann werde ich ohnmächtig und wache mit Tränen im Gesicht auf und denke: Oh, ich habe eine fantastische Geschichte geschrieben. Im Original von Nier gab es die Szene von dem Wolf und den Leuten mit den Masken. Ich erinnere mich, dass ich beim Schreiben der Geschichte mitgeweint habe, während ich völlig besoffen war.
Der Tod ist ein fester Bestandteil von Spielen
, meint er dann. Normalerweise tötet man seine Feinde, also muss man beim Spielen und Entwickeln von Spielen darüber nachdenken, weil er in vielen Titeln eine wichtige Rolle spielt. Ich kreiere meine Spiele nicht wirklich so, dass sie große Themen des Lebens behandeln, oder wie Menschen über das Leben denken sollen oder so etwas in der Art, sondern ich möchte Spiele machen, die die Leute dazu bringen, über tiefere Dinge nachzudenken. Warum spiele ich Spiele? Oder: Was ist meine Beziehung zu Spielen? Solche Dinge eben.
NieR:Automata ist auf vielen verschiedenen Ebenen ein unvergessliches Erlebnis. Die Figuren brennen sich in die eigenen Gefühlswelten ein. Die epische Musik von Keiichi Okabe zerstört kontinuierlich jeden noch so fröhlich anmutenden Gedanken. Und die Tatsache, dass man das Spiel mehrmals erfolgreich beenden muss, um die Geschichte vollends verstehen zu können, nur um am Schluss, wenn man wirklich alles gegeben hat, wieder mit leeren Händen dazustehen, setzt dem Ganzen die Krone auf.
Wer in einer Welt der gnadenlosen Aussichtslosigkeit sein Glück finden und schließlich in der absoluten Depression ertrinken möchte, der kommt an NieR:Automata nicht vorbei. Der kämpft schon bald mit 2B, 9S und A2 Seite an Seite gegen ein scheinbar unüberwindbares Schicksal. Und der wird Teil einer Geschichte, deren wahres Ende mit jedem weiteren Schritt vor einem zu flüchten scheint, nur um sich im letzten Augenblick verzweifelt gegen seine Auflösung zu wehren. Mit allen erdenklichen Mitteln.
Mittwoch, der 8. März 2023
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