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Marcel WinatschekPhilosophische Texte über Gestaltung, Informatik und digitale Populärkultur
Die handgemachte Webseite: Meine Straße, mein Zuhause, mein Blog
© Dall-E

Die handgemachte WebseiteMeine Straße, mein Zuhause, mein Blog

Als ich im Jahr 2002 zum ersten Mal Internet zu Hause hatte und kurz darauf mit dem Bloggen anfing, ahnte ich noch nicht, dass diese illustre Freizeitbeschäftigung irgendwann einmal mein Leben bestimmten würde. Meine allererste Webseite bastelte ich in Microsoft Word zusammen und beschäftigte sich mit meinen Freunden, meiner überaus interessanten Persönlichkeit und was wir eben so machten, wenn die Schule aus war.

Es folgten diverse in Microsoft Frontpage und Macromedia Dreamweaver mehr schlecht als recht "programmierte" Homepages, die immer mal wieder andere Namen, Designs und Schwerpunkte trugen. Im Jahr 2005 entdeckte ich dann WordPress für mich und spätestens von da an war das Bloggen ein fester Bestandteil meines Denkens, meines Handelns und, ja, meines Charakters.

Fast zwanzig Jahre lang war die eigens für Blogs kreierte Software der Dreh- und Angelpunkt meines künstlerischen Handelns. Ich verbrachte unzählige Tage und besonders Nächte damit, mir WordPress zu eigen zu machen, das perfekte Theme zu kreieren und die optimalen Plugins zu installieren. Ich wühlte mich durch die vorinstallierten Dateien, schrieb sie um, veränderte sie so, dass sie genau das machten, was ich wollte. Und das taten sie auch. Meistens.

Irgendwann merkte ich, dass ich meine auf WordPress basierten Webseiten so sehr auf mich und meine Vorlieben zugeschnitten hatte, dass ich nur noch rudimentäre Funktionen der quelloffenen Software nutzte. Und kurz darauf fühlte ich mich, als würde ich nicht mehr mit, sondern gegen WordPress arbeiten.

Jedes von der für WordPress verantwortlichen Firma Automattic herausgegebene Update ließ mich erschaudern, weil es bedeutete, dass es wieder irgendwelche neuen Funktionen gab, die ich aktiv verhindern musste. Plötzlich wurde der Medienordner mit willkürlich großen Vorschaubildern geflutet. Oder Plugins funktionierten nicht mehr - oder nur halb. Oder es gab einen neuen Posteditor, der für Anfänger vielleicht ganz nett war, aber für jemanden, der einfach nur ein HTML-Eingabefeld brauchte und wollte, alles zusätzlich verkomplizierte. Ja, aber dann installier doch einfach den Classic-Editor! Halt's Maul.

Meine Funktionendatei, das Herzstück jedes WordPress-Designs, bestand schon bald größtenteils nur noch aus Befehlen, die verhinderten, dass die neu vorgegebenen Regeln griffen. Und irgendwann artete das Ganze so aus, dass ich mich fragte, warum ich eigentlich überhaupt noch WordPress nutzte. Die Zeit, ständig gegen diese Software arbeiten zu müssen, anstatt mir Inspiration zu suchen, an der Gestaltung der Webseite zu basteln oder eben, naja, Texte zu schreiben, könnte ich schließlich effektiver nutzen.

Also entschied ich mich dazu, WordPress den Rücken zu kehren und auf eine der unzähligen Alternativen umzusteigen. Ich schaute mir Programme wie Hugo, Kirby und Jekyll an und war zwar begeistert davon, dass es so viele tolle, moderne Möglichkeiten gab, eine eigene Webseite an den Start zu bringen, aber mir war auch bewusst, dass ich mich mit der Wahl eines dieser Produkte ebenfalls wieder in eine Abhängigkeit begab, die ich womöglich in einigen Jahren bereuen würde. Dann würde die Suche wieder von vorne losgehen - und das wollte ich nicht.

Die korrekte Entscheidung für mich war also, meinen Blog von Grund auf selbst zu programmieren. So würde ich gleichzeitig unabhängig bleiben und eine Menge neuer Dinge lernen. Schließlich musste ich es schaffen, dass die Seite nicht nur gut aussah, sondern auch dynamisch funktionierte. Eine rein statische Webseite würde aufgrund der vielen Artikel einfach nicht ihren Zweck erfüllen. Die Hauptprobleme waren hierbei die Suche, der RSS-Feed und generell die automatische Anzeige der Artikel auf der Startseite, in den Kategorien und auf den für SEO so wichtigen Themenpunkten.

Dank Google, Stack Overflow und hektoliterweise Kaffee nahm mein Blog nach und nach immer mehr Form an. Ich kreierte, ich optimierte, ich reduzierte. Die Seite sollte immer noch schneller, geschmeidiger und mit so wenig Ballast wie nur irgendwie möglich funktionieren. Und das habe ich auch geschafft. Was ihr hier gerade seht ist eine, und ich möchte dabei so bescheiden wie nur irgendwie möglich bleiben, absolute Meisterleistung. Zumindest für mich.

Jedes einzelne Zeichen, das diesen Blog zum Laufen bringt, wurde von mir in Nova eigenhändig geschrieben. Keine Frameworks, keine Bibliotheken, kein fucking gar nichts. Diese gar graziöse Seite besteht nur noch aus purem HTML, PHP und CSS. JavaScript habe ich mit aller mir zur Verfügung stehenden Härte eliminiert. Schließlich würde das Internet so viel besser funktionieren, wenn JavaScript niemals erfunden worden wäre. Ja, ich habe gerade ausgesprochen, was die ganze Welt klammheimlich denkt. Verprügelt mich doch. Fremddateien werden überhaupt nicht geladen, Analytics gibt es nur noch als rudimentäre Serverlogs. Weil es eigentlich scheißegal ist, wie viele diese monumentalen Hirnfürze hier lesen. Und wenn ihr nach Cookies Ausschau haltet, nope, vergesst es, Cookies sind schließlich nur etwas für Loser.

Die Artikel bestehen jeweils aus bis zum Gehtnichtmehr optimierten Unterordnern, die wiederum mit den dazugehörigen Bildern in den jeweiligen Kategorien liegen. Vollgemüllte Datenbanken? Fehlanzeige. Die Suche funktioniert durch diverse Filter, um so die Posts innerhalb von Millisekunden zu durchforsten. Der RSS-Feed, die Sitemap und die Tags sind alle so hart dynamisch, dass eigentlich ein neues Wort dafür erfunden werden müsste. Ich sollte in die Werbung gehen, so wie ich mich hier gerade selber abfeiere.

Mein Blog zeigt auf Google PageSpeed Insights sowohl in der Desktopansicht als auch in der für mobile Leser jeweils eine glatte 100 von 100 möglichen Leistungspunkten an. Und das ganz ohne Content Delivery Network. Das liegt zum einen daran, dass die Bilder sowohl responsiv als auch ausschließlich im modernen WebP-Format vorliegen, und zum anderen daran, dass keine zusätzlichen Schriften geladen werden - ihr seht hier nur bereits bei euch vorinstallierte Systemfonts.

Außerdem besteht die komplette Seite aus einem Netz an automatisch generierten, statischen HTML-Cachedateien, die normalerweise anstatt der PHP-Files geladen werden. Die Startseite, die Kategorien, die Tags, die Suche, der Feed, die Sitemap, sogar die Artikel selbst - einfach alles greift auf das bis ins kleinste Detail optimierte Cachenetzwerk zu. So kann die komplette Seite blitzschnell auf Nutzeranfragen reagieren - egal wie viele das auch sein mögen. Und dazu sieht sie einfach noch hammergut aus, sowohl auf großen als auch auf kleinen Bildschirmen. Wie humble ich heute einfach mal wieder bin.

Ich bin sogar so ein psychopathischer Perfektionist, dass ich alle Absätze und die meisten Leerzeichen aus dem Quellcode entfernt habe, weil ich die unrealistische Meinung vertrete, dass das ein paar Nanosekunden Ladedauer beim Aufrufen der Seite einspart. Das ist natürlich vollkommener Quatsch, aber lasst mich doch. Jeder hat schließlich einen an der Klatsche. Wer keine hat, der werfe den ersten Stein. Na eben. Und falls ihr euch jetzt fragt, ob der ganze Schmu auch noch valide ist? Natürlich ist er das. Als hätte es daran auch nur irgendeinen Zweifel gegeben, ihr ungläubigen Schäfchen.

Das Fazit dieser in viel zu viele Sätze gepressten Selbstbeweihräucherung ist, dass ich meine private Webseite zu etwas gemacht habe, das wirklich, zu einhundert Prozent, mir gehört. Weil ich sie selbst gebaut, selbst befüllt und sogar selbst nach mir benannt habe. Und das auch weiterhin machen werde. WordPress kann von mir aus morgen in Flammen aufgehen und alle daran hängenden Webseiten mit sich in den Untergang reißen, es wäre mir scheißegal. Und allein dieser Gedanke allein ist vermutlich die wahre Freiheit eines jeden Bloggers. Amen.

Donnerstag, der 16. Februar 2023

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