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Marcel WinatschekPhilosophische Texte über Gestaltung, Informatik und digitale Populärkultur
Redline: Coole Typen in heißen Schlitten
© Madhouse und Crunchyroll

RedlineCoole Typen in heißen Schlitten

Brumm, brumm, brumm, da düsen sie los, die tollkühnen Teufelskerle in ihren aufgemotzten Todesmaschinen. Bei der Redline ist schließlich alles erlaubt. Der größte Rennwettbewerb des Universums findet nur alle fünf Jahre statt, und genau deshalb möchte wirklich jeder den Ruhm für sich beanspruchen. Und das, während das organisierte Verbrechen und militaristische Regierungen das Spektakel für ihre eigenen Zwecke ausnutzen wollen.

Joshua Punkhead, ein rücksichtsloser Draufgänger, der noch nie etwas von Geschwindigkeitsbegrenzungen gehört hat und mit seinem ultragetunten Schlitten alles wegcrasht, was bei drei nicht auf den Bäumen ist, hat nur ein Ziel: Der Sieger der Redline zu werden. Und das, obwohl auch sein Schwarm Sonoshee am Wettbewerb teilnimmt und keinesfalls vorhat, ihn gewinnen zu lassen.

Das Raunen der intergalaktischen Zuschauer ist groß, als klar wird, dass das aktuelle Rennen auf der Roboworld stattfinden soll. Denn deren militante Bewohner haben überhaupt keine Lust darauf, dass irgendwelche irren Sportskanonen ihren Planeten unsicher machen und dadurch womöglich auf die ein oder andere geheime Massenvernichtungswaffe stoßen.

Es beginnt ein Spiel um Leben und Tod. Denn nicht nur die anderen Rennfahrer sind Joshua, den alle nur JP nennen, auf den Fersen, nein, auch der Präsident von Roboworld und seine Lakaien haben es auf ihn und seine Kollegen abgesehen. Kann der vorlaute Typ mit Benzin im Blut sowohl die Redline als auch Sonoshees Herz erobern?

Der erste Anstoß kam vom Produzenten Daisuke Kimura, erinnert Katsuhito Ishii, der ebenfalls als Produzent agierte, sich an die Anfänge von Redline in einem Interview mit dem Onlinemagazin Zimmerit. Er meinte: Hey, lass uns etwas Neues ausprobieren. Zu dieser Zeit arbeitete der Regisseur Takeshi Koike an dem Pilotfilm zu Afro Samurai.

Wir wussten, je länger wir darüber nachdachten, was wir machen sollten, desto unangenehmer würde es werden, tatsächlich mit dem Schreiben anzufangen, also entschieden wir uns schnell für etwas aus dem Bereich Science-Fiction, so Katsuhito Ishii weiter. Takeshi Koike und ich hatten für Grasshoppa einen Kurzfilm namens Trava gedreht, und wir dachten uns, dass etwas, das im selben Universum spielt, cool sein könnte.

Als ich mitten in der Bearbeitung von Taste of Tea steckte, arbeitete ich auch an Kill Bill mit, erzählt Katsuhito Ishii, wann er sich für Takeshi Koike als Regisseur entschieden hat. Quentin Tarantino mag japanische Zeichentrickfilme sehr, also hat er einen Haufen japanischer Zeichner zusammengestellt. Ich habe die Figuren entworfen. Es gab damals ein vages Gerede darüber, dass wir diese Art von Anime auch in Japan machen könnten, wissen Sie. Damals sagte Daisuke Kimura zu mir: Wenn wir so etwas Cooles wie Kill Bill machen wollen, ist vielleicht Takeshi Koike der Richtige dafür. Das war eine Art Vermutung.

Als ich Katsuhito Ishiis mechanische Entwürfe gesehen habe, war ich sofort begeistert und dachte: Das muss ich animieren!, antwortet Takeshi Koike lachend. Ich dachte: Diese Figuren sind so cool, ich möchte sie alle verwenden. Es war noch nicht entschieden, ob ich bei der Afro Samurai-Serie mitarbeiten würde, und als ich Katsuhito Ishiis Entwürfe sah, entschied ich mich schnell, bei Redline mitzumachen.

Ich mag westliche Filme, und so verwende ich die Frauen in diesen Filmen als Referenz, erklärt Takeshi Koike, warum so viele starke Frauen in Redline zu sehen sind. Die Üppigkeit ihrer Lippen zum Beispiel ist wirklich erotisch, und das möchte ich in meiner Arbeit verwenden. Ich lasse mich nicht von anderen Zeichnungen, sondern vom wirklichen Leben inspirieren. Die Schroffheit von Nicht-Japanern, solche Dinge finde ich wirklich cool. Sie haben die Atmosphäre einer Skulptur. Wenn ich mir westliche Filme ansehe, habe ich das Gefühl, dass die Gesichter von westlichen Schauspielerinnen robust und schön sind.

Diese Parts habe ich Animatoren überlassen, die sich mit dieser Art von Dingen auskennen, verrät Takeshi Koike, wer sich um die erotisch wirkenden Zeichnungen der weiblichen Charaktere gekümmert hat. Yutaka Minowa, der für seine Arbeit an den Produktionen von Yoshiaki Kawajiri bekannt ist, hat bei den Nahaufnahmen der Super Bons großartige Arbeit geleistet. Und zwar extrem gut. Ich habe ihm nicht wirklich erklärt, was ich wollte, sondern ihn einfach sein Ding machen lassen. Wenn man solche tollen Partner hat, macht es Spaß, einen Film zu machen.

Ich mag Sin City des amerikanischen Comiczeichners Frank Miller, verrät Takeshi Koike wiederum dem Onlinemagazin Tor.com. Ich habe mich zum Beispiel davon beeinflussen lassen, wie er die Schatten durch die Verwendung von Schwarz vereinheitlicht.

Natürlich gibt es die Anime-Fans, aber ich denke, Redline ist ein Werk, das auch von Fans der Live-Action-Filme von Regisseur Katsuhito Ishii und von Filmfans im Allgemeinen gesehen und genossen werden wird, resümiert Takeshi Koike, ob auch Menschen, die eher weniger mit Anime anfangen können, den Film sehen sollten Es gibt viele Animationsfilme, die auf Fernsehserien basieren, aber ich spüre das wahre Potenzial eines Animationsstudios, das sich der Herausforderung gestellt hat, einen Originaltitel zu machen.

Redline ist von der ersten bis zur letzten Sekunde rasante und kunterbunte Action, die hier und da von ruhigen Verschnaufpausen unterbrochen wird. JP ist ein sympathisches Arschloch, das das Herz am rechten Fleck hat. Und sowohl die unterschiedlichen Fahrer als auch einzelne Charaktere drumherum bieten genügend Tiefe, Seele oder auch einfach nur Fun, um den Zuschauer bei Laune zu halten.

Wenn Redline eines ist, dann ist es stilsicher. Man könnte den Film ziellos an den unterschiedlichsten Stellen anhalten: Jeder einzelne Frame wäre ein farbenfrohes Kunstwerk. Egal ob die vor Technik berstenden Rennwägen, die vollgepackten Schauplätze oder die sinnlichen Frauen - Redline strotzt nur so vor illustrativer Highlights, die mit schnittiger Musik, bombastischen Soundeffekten und einem lässigen Spruch nach dem anderen untermalt werden.

Am Ende kann man kaum glauben, was für ein bildgewaltiges Spektakel sich da gerade vor seinen Augen abgespielt hat und zweifelt fast daran, ob man überhaupt alles mitbekommen hat, was dort in Windeseile geschehen ist. Schließlich explodiert die Leinwand gegen Ende hin regelrecht in einem Feuerwerk der grellen Farben. Doch vielleicht lädt gerade dieser Zweifel dazu ein, den Film gleich noch einmal sehen zu wollen.

Man darf Redline wirklich als alles bezeichnen, nur nicht als langweilig. Wer auf coole Typen in heißen Schlitten und noch heißere Mädels steht, die in jeder Szene noch einen drauf setzen, der wird diesen Anime zu schätzen wissen. Alle anderen dürfen weiterhin mit ihrem Fiat Punto regelkonform durch die Tempo-30-Zone tuckern und auch sonst kein Risiko im Leben eingehen.

Freitag, der 3. März 2023

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