Newsletter abonnieren   Newsletter abonnieren
Marcel WinatschekPhilosophische Texte über Gestaltung, Informatik und digitale Populärkultur
Feminine Inspiration: Willst du meine Muse sein?
© Christopher Campbell

Feminine InspirationWillst du meine Muse sein?

Mein eigenes Leben teile ich nicht in Altersabschnitte ein. Oder Schulklassen. Oder Jahreszahlen. Das bisherige Dasein des Marcel Winatschek ist geprägt und parzelliert von den Mädchen, denen ich hinterher gelaufen bin. Die mich begeistert haben. Oder verletzt.

Weibliche Geschöpfe, Lebens­abschnitts­gefährt­innen, mit denen ich Monate und Jahre verbracht habe, bis sie mir das Herz herausgerissen haben. Oder umgekehrt. Und egal wie heilig oder teuflisch sie letzten Endes auch waren, sie haben mir doch eine Sache bewiesen: Dass ich immer eine Frau an meiner Seite brauche, das mich irgendwie inspiriert oder mir in den Arsch tritt – vollkommen egal, ob wir nun zusammen sind oder nicht.

Ich komme mir manchmal wie ein beschissenes Glückbärchi vor, dessen bunte Glücksstrahlen niemals mehr versiegen und deshalb auf den Nächstbesten gerichtet werden müssen, damit sie nicht ganz umsonst verschossen werden. Liebe deinen Nächsten.

Und habe ich erst einmal ein Vaginawesen getroffen, an dessen Kreativität ich mich parasitieren kann, dann lutsche und sauge ich, bis kein Fitzelchen Muse mehr übrig ist. Welche Musik hörst du? Was für Sneaker trägst du? Welche Serien guckst du? Ach ja, die? Geil.

Manchmal bin ich mir schon gar nicht mehr im Klaren darüber, wie viel meiner verkorksten Persönlichkeit nun wirklich noch ich bin und welche meiner Angewohnheiten, Hobbys und Vorlieben in ihrer früheren Existenz einer meiner zahlreichen Gespielinnen zuteil waren. Schließlich verbinde ich ich mit dem Großteil von Bands, Filmen und Büchern gleich ein Mädchen, deren Gesichter direkt vor mir erscheinen.

Die Schmalztruppe von Muse höre ich nur wegen Ana, keine Frage. Adidas Superstars? Die hat doch auch Chrissy immer getragen. Und diese Eigenart Kassierer grundlos mit verbalen Fäkalien zu bewerfen? Ganz klar Jennys Handschrift. Wie ein roter Faden ziehen sich die Charakteristiken der verflossenen Liebschaften durch meine Vita und lassen mich wohl nie wieder ziehen.

Aber womöglich reagiere ich mit meiner Angst um eine verfälschte Persönlichkeit und dem Drang Mädchen kreativ auszunutzen auch nur über. Schließlich kommt jeder von uns zwar als Original auf die Welt, stirbt aber als Kopie tausend anderer.

Und ist es da nicht viel besser, die inspirierendsten Eigenschaften hübscher Mädchen in sich selbst aufzunehmen und fortzuführen, als sie sich von unpersönlichen Amazon-Listen, falschen Freunden und lieblosen Verwandten vorschlagen lassen zu müssen? Ich sage ja und bin schon auf das nächste weibliche Geschöpf gespannt, an deren Lebensinhalte ich mich Stück für Stück erfreuen kann.

Samstag, der 4. April 2015

Kommentar schreiben