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Marcel WinatschekPhilosophische Texte über Gestaltung, Informatik und digitale Populärkultur
MissesVlog im Gespräch: Kelly Svirakova, kann man von YouTube leben?
© Kelly Svirakova

MissesVlog im GesprächKelly Svirakova, kann man von YouTube leben?

Würden außerirdische Wesen sich heute Videos auf YouTube angucken, dann könnten sie meinen, die Spezies des Menschen bestehe lediglich aus zweierlei Arten. Die einen, die pompöse Computerspiele vorstellen und lautstark an ihnen verzweifeln, und die anderen, die sich teure Kosmetikartikel ins Gesicht drücken und dabei sanft vor sich hin sinnieren. Dazwischen gibt es, außer gähnender Langeweile und übertriebener Albernheit, wenig. Aber wer sucht, der wird bekanntlich fündig.

Millionen Voyeure haben Kelly aka MissesVlog dabei zugesehen, wie sie auf einer Treppe herum rannte, sich dabei an die Brüste fasste und lächelnd die zehn größten Geheimnisse ihrer Artgenossinnen ausplauderte. Dass High Heels schmerzen, zum Beispiel. Dass Schlafen besser als Duschen ist. Oder dass Rasieren jede Menge Zeit kostet. Das alles hätte man sich womöglich bereits vorher denken können, aber die sympathische Bewegtbildkünstlerin erklärt es uns lieber noch einmal – und wir hören ihr gebannt zu.

Und kurz bevor die bayerische Grinsekatze die Videoplattform ihrer Wahl vollends erobert, in einer grausamen Welt, in der Seitenaufrufe mehr zählen als alle Schulnoten, Praktika und Fortbildungen zusammen, haben wir sie uns gekonnt zur Seite genommen und mit ihr gemeinsam den Antrieb von Trollen und Stalkern ergründet, eine wilde Reise nach Los Angeles Revue passieren lassen und geklärt, ob sie sich für den Playboy ausziehen würde. Und wenn ja, für wie viel.

Ich bin gerade vollkommen verrückt nach grünem Tee und könnte täglich zwölf Liter davon trinken. Von was bist du abhängig?

Kaffee und Energy Drinks. Das wird jeder meiner YouTube-Kollegen oder Menschen, die etwas mit Cutten zu tun haben, genau so sehen. Wir sind quasi Wesen der Nacht, da braucht man etwas, was einen wach hält.

Welches Video auf YouTube hast du dir zuletzt angesehen – und warum?

Ich habe mir ein Video von zwei YouTubern angesehen, einer amerikanisch, der andere britisch, die zusammen kollaboriert haben und alltägliche Begriffe wie „Schneebesen“ in die Suchleiste einer Pornoseite eingegeben haben, um sich dann die Ergebnisse anzusehen und ich war sehr angetan von dieser Idee… Ja, so sieht mein Leben momentan also aus. Aber ich fand’s sehr amüsant.

Dein erstes Video auf YouTube war eine, nennen wir es mal, mutige Tanzeinlage für die Aussenseiter. Hättest du damals gedacht, dass du einige Jahre später zu den bekanntesten deutschen Gesichtern auf der Plattform gehörst?

Gedacht – nein. Gehofft und gezielt darauf hingearbeitet – ja. Damals habe ich mir das Ziel 100.000 Abonnenten gesetzt und wollte das auch unbedingt erreichen. Als es soweit war, dachte ich eigentlich, es geht von da an nicht weiter – und ich habe mich zum Glück geirrt. Was momentan auf meinem Kanal passiert, begreife ich selbst nicht ganz.

Das Einzige, was ich mir damals dachte, war: „Das sieht nach viel Spaß aus, was diese Hampelmänner da auf YouTube produzieren. Warum gibt es noch keine Hampelfrau? Das muss ich ändern!“ Was für Möglichkeiten sich dadurch für mich entwickelt haben, konnte damals keiner von uns YouTube-Hampeln vorausahnen.

Du warst, kurz nach deinem Aufstieg, für ein YouTube-Projekt ein paar Wochen mit einigen Kollegen in den USA, was ging da so?

Richtig. Ich war sechs Wochen lang mit Gronkh, Sarazar, David Hain, Fabian Siegismund, Rob Bubble und Pandorya in Los Angeles. Zumindest war das die erste Truppe, die Besatzung des Projekts hat sich im Laufe von insgesamt drei Monaten immer mal wieder geändert. Wir haben unsere Zeit zusammen in einem riesigen Haus in West Hollywood verbracht, das wir, aufgrund des etwas protzigen Aussehens, “The Mansion” nannten, welcher auch der Name des YouTube-Kanals, der die Reise dokumentierte, wurde.

Das war eine der besten Reisen meines Lebens. Tolle Menschen, faszinierende Orte und super Videos produziert. Es gab keinen Moment, in dem sich YouTuber oder Crew gestritten haben. Alle haben sich näher kennengelernt, nachdem man sich nur zwei bis drei Mal im Jahr auf irgendwelchen Events begegnet ist und super verstanden, was die Reise natürlich super angenehm gemacht hat.

Wir waren in Las Vegas und haben eine Hochzeit gefeiert, auf Roadtrips durch kilometerweit Wüste, inclusive Stopps bei geilen Fast-Food-Ketten, haben Freizeitparks, Studios und andere Sehenswürdigkeiten besucht und alles mit der Kamera fest gehalten. Das hört sich alles zu schön an, um wahr zu sein, aber in den Videos sieht man uns allen an, dass wir eine richtig gute Zeit zusammen hatten und viel an neuer Lebenserfahrung dazu gewonnen haben.

Auch wenn mir mit meinen damals 20 Jahren das Nachtleben sehr erschwert worden ist, vor allem in Las Vegas, was mir etwas auf den Senkel gegangen ist, weil man sich plötzlich wieder wie 15 fühlt. Da hilft nur das Bestechen von Türstehern und Kellnerinnen, die alle eigentlich Schauspieler oder Tänzer waren, da in einer Welt wie Hollywood tatsächlich alles käuflich und mehr Schein als Sein ist. So wie auch unser Haus, das von außen aussieht wie eine Megavilla, aber von innen erhebliche Baumängel aufwies. Aber was soll’s.

An meinem 21. Geburtstag hatte ich J.W., den Namen zensieren wir mal lieber, haha, einen jungen, aufstrebenden Modedesigner, den wir zuvor in einem Club kennen gelernt und zu uns ins Haus eingeladen haben, koksend und nackt im Whirlpool sitzen. Auch wieder eine Erfahrung, die etwas schockierend, aber lustig zugleich war. Und er war eigentlich ein echt netter Typ.

Sind die Leute, mit denen du ab und zu in Videos abhängst, wirklich deine Freunde?

Nach drei Jahren lernt man so einige YouTuber kennen und es gibt keinen einzigen, mit dem ich auf Kriegsfuß oder ähnlichem stehe. Man versteht sich eben super, weil jeder, der das macht, einen kleinen Knacks in der Birne hat. Und uns alle verbindet etwas: Die Produktion von Videos auf eigene Faust. Da entwickeln sich sehr schnell Freundschaften, vor allem, wenn man erst einmal zusammen ein Video gedreht hat. Dafür reicht es für mich erstmal, wenn man die Videos vom anderen cool findet.

Da jeder auf YouTube sehr stark seine Persönlichkeit vor der Kamera präsentiert, kennt man die Leute quasi schon ein bisschen und kann einschätzen, ob man sich mit ihnen versteht oder nicht. Klar habe ich auch Freunde, die gar nichts mit YouTube am Hut haben und jedes Mal verblüfft den Kopf schütteln, wenn jemand beim Bummeln durch die Stadt nach einem Foto mit mir fragt, aber genau so, wie es gut tut mit Menschen zu sprechen, die sich in einer ähnlich verrückten Situation befinden wie man selbst, so ist es auch super, sich über die normalen Dinge im Leben auszutauschen.

Hast du das Gefühl, dass du dich wirklich angestrengt hast, um deine heutige Abonnentenzahl zu generieren – oder geschah das eher so nebenher?

Ich würde sagen beides. Es geschah aber eher so nebenher, weil ich kein Mensch bin, der jeden Tag den Anstieg seiner Views und Abonnenten checkt, und ich mir irgendwann dachte: „Oh, upps. Schon eine Million... Craaaazy!“ Ich bin etwas verpeilt, das ist mein Problem. Da gibt es auch andere Sorten YouTuber, was aber eigentlich nötig ist, wenn man davon leben möchte. Entgegengesetzt der allgemeinen Meinung darüber, ist Videos auf YouTube machen sehr anstrengend.

Vor allem bei zwei bis drei Videos die Woche. Man muss sich das mal überlegen: Zwei bis drei Mal die Woche eine neue, kreative Idee, die den Nerv der Zeit trifft und so viele Menschen wie möglich ansprechen sollte. Plus haareraufend und deprimiert durch die Wohnung stapfen, weil die zündende Idee eben nicht mal so einfach vom Himmel fällt.

Man ist sein eigener Chef. Jeden Tag motiviert zu sein, sich an den Computer zu setzen, die Idee auszuarbeiten und ein freies Skript zu schreiben. Vor die Kamera setzen: Sieht der Hintergrund gut aus? Stimmt das Licht? Stimmen die Kameraeinstellungen? Ist der Ton so gut? Sich Gedanken machen, wie man was sagt, damit es richtig rüber kommt.

Gut drauf sein und unterhalten, auch wenn man mal keinen so guten Tag hat. Dann wieder an den Computer setzen und stundenlang schneiden, nur damit einem Premiere Pro abschmiert und man keinen Zwischenstand gespeichert hat. Video hochladen: Guter Titel? Gutes Thumbnail? Was muss in die Beschreibung rein? Video auf allen sozialen Netzwerken teilen und dann eine Minute nach Veröffentlichung des Videos „Du bist scheiße. Das Video ist schlecht!“ in den Kommentaren zu lesen. Ich will mich nicht beschweren, ich habe den besten Job der Welt. Aber es ist tatsächlich ein Job und harte Arbeit. Dass das von vielen noch nicht realisiert wird, macht einen ein bisschen traurig, aber das wird sich noch ändern. Da bin ich mir ziemlich sicher.

Tatsächlich bin ich, wie viele andere auch, durch deine 10 Dinge, die Mädchen tun (aber niemandem erzählen)-Liste auf dich aufmerksam geworden. Ist das dein persönliches Lieblingsvideo?

Auch wenn das mein erfolgreichstes Video ist, ist es nicht mein Lieblingsvideo. Wenn ich mir eines von meinen eigenen aussuchen müsste, würde ich einen Vlog von Reisen nehmen, die ich gemacht habe. Das ist eine schöne Erinnerung, die ich mit ganz vielen anderen Menschen teilen kann, die vielleicht nicht die Möglichkeit haben an solche Orte zu gelangen oder bestimmte Menschen zu treffen. Den Gedanken finde ich schön.

Ich befand mich auf AMY&PINK irgendwann im Zwiespalt, ob ich lieber Content produziere, der mir selbst Spaß macht, oder von dem ich wusste, dass er den Lesern gefällt und viele Likes und Klicks generiert. Ist das auch für dich ein Problem?

Klar mache ich mir Gedanken darüber, welches Thema besonders gut funktioniert, aber ich würde nie ein Video machen, das mich selber nicht interessiert. Das würde man mir sofort ansehen und so ein Video anzugucken macht dem Zuschauer keinen Spaß, weshalb das Video vielleicht auch gar nicht so erfolgreich wäre.

Ich versuche immer Themen zu finden, die ich lustig finde und die mit hoher Wahrscheinlichkeit funktionieren werden. Da hat sich bis jetzt immer etwas gefunden. Außerdem ist mein Kanal eher um mich als Person herum als um Themen aufgebaut, weshalb sich dieses Problem quasi von selber löst.

Bist du persönlich sehr traurig, wenn mal ein Video nicht so oft geklickt wird, wie du es dir vielleicht erhofft hast?

Manchmal gibt es Videos, die einem sehr am Herzen liegen oder von denen man denkt „Das wird jetzt der absolute Knaller!“, die dann echt wenig geschaut werden. Das macht mich schon ein bisschen traurig, aber das ist gleichzeitig genau das Spannende an YouTube. Man kann einfach nicht genau sagen, was funktionieren wird. Ich habe schon von vielen YouTubern gehört, dass sie sich bei Videos dachten „Na, das war jetzt nicht so dolle“ und genau diese Videos am Ende eines der erfolgreichsten auf dem Kanal geworden sind.

Erzähl mal ein wenig aus dem Nähkästchen, welcher YouTube-Star ist in Wirklichkeit ein hochnäsiges Arschloch, wer wird ziemlich unterschätzt, obwohl er toll ist, wer müffelt ein bisschen?

Klar mag man den einen YouTuber mehr als den anderen, so wie man eben den einen Menschen mehr als den anderen mag, aber im Grunde verstehen sich alle, weswegen ich hier niemanden in die Pfanne hauen möchte. Ich persönlich hatte noch nie ernsthafte Probleme mit meinen Kollegen, deswegen kann ich dazu ehrlich nichts sagen, was nicht unfair wäre.

Unterschätzt werden so viele, dass man das gar nicht hier aufzählen könnte. So viel Talent, das in der Masse leider untergeht. Vor allem, wenn man nicht Peniswitze-Comedy, Beauty oder Let’s Plays macht. Das wird sich aber alles noch entwickeln. Und niemand müffelt, nur weil wir Nerds sind, die komische Videos im Internet machen. Alle YouTuber riechen wie Einhörner!

Wie sehr hat diese Videoplattform dein Leben verändert?

Durch YouTube hat sich mein Leben beängstigend stark verändert. Das fängt schon bei Themen wie Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit an. Sich zu denken: „Leute, das bin ich, akzeptiert mich so wie ich bin.“ Ich wurde oft ins kalte Wasser geschmissen, indem ich zu Events und Treffen gefahren bin, um mit Menschen abzuhängen, die ich eigentlich nur aus Videos und vom Chatten her kannte. Ich war als Kind und den Großteil meiner Jugend sehr unsicher und schüchtern.

Durch YouTube habe ich gelernt, über meinen Schatten zu springen und mich zu überwinden auf andere Menschen zuzugehen, eine wichtige Lektion meiner Jugend, für die ich sehr dankbar bin. Ich habe gelernt, mit Kritik klarzukommen, egal wie unkonstruktiv sie auch sein mag. Der Traum, auch mal größere Projekte, vielleicht sogar Filme zu produzieren, hat sich durch das Videos machen in mir aufgetan.

Ich habe Menschen kennen gelernt, denen ich ohne YouTube wahrscheinlich nie im Leben über den Weg gelaufen wäre und die ich heute nicht missen möchte. Reisen, Lebenserfahrung, gute und schlechte Seiten von einem gewissen Grad an Bekanntheit kennen gelernt. Ich könnte noch ewig weiter aufzählen. Wie gesagt: Beängstigend.

Denkst du manchmal darüber nach, was du mit deiner Zeit anstellen würdest, wenn es YouTube nicht geben würde?

Ich wäre wahrscheinlich, wie die meisten in meinem Alter, immer noch auf der Suche nach etwas, was mich erfüllt. Nur würde ich mich nicht trauen zu suchen. Ich wäre den einfachsten Weg gegangen und hätte nach dem Abi erstmal ein Jahr zu Hause gesessen, von meiner großen Schwester gezwungen ein bisschen rumzureisen, was ich aber nicht machen würde, weil ich viel zu viel Angst hätte.

Dann hätte ich irgendeinen x-beliebigen Studiengang ausgewählt, vielleicht sogar bei meiner Schwester in London und würde verschüchtert durch dunkle, nasse Gassen laufen. So schlimm wäre es wahrscheinlich nicht gewesen, aber ich stell’ mir das Leben ohne YouTube irgendwie viel trüber vor... Ich denk’ lieber gar nicht drüber nach.

Wenn du auf Veranstaltungen wie der Gamescom oder den VideoDays abhängst und dich ständig fremde Menschen anquatschen, fühlst du dich da gut – oder nervt das eher?

Ich find’s super! Die letzten Jahre habe ich es immer total genossen, die Menschen, die meine verrückten Videos gucken, ein bisschen kennen zu lernen, um herauszufinden, was sie auf diesen Pfad gelenkt hat. Es ist schön, so viele Leute zu treffen und mal live zu spüren, was die Videos, auch wenn sie von den meisten Menschen als absoluter Quatsch abgetan werden, den Zuschauern bedeuten. Aber es ist anstrengender als man denkt, so viele Menschen auf einmal zu treffen, die alle was von einem wollen. Nach so einem Tag reicht es noch für einen Drink und dann fällt man erschöpft ins Bettchen.

Hast du das subjektive Gefühl, dass YouTube unsere Jugend klüger oder eher doch dümmer macht?

Meiner Meinung nach weder noch. YouTube ist eine Plattform, die hauptsächlich unterhält. Wieso sollte man von Unterhaltung dümmer werden? Außerdem werde ich tausendmal lieber von authentischen, sympathischen Menschen, die ich mir selber aussuchen kann, auf YouTube unterhalten, als von Schauspieler XY, der außerordentlich realistische Emotionen bei „Mitten im Leben“ zu tausendmal durchgekauten und einfallslosen Szenarios performt.

Wie gehst du mit Trollen um?

Ich hab mich an die Trolle gewöhnt. Klar geht das nicht komplett an einem vorbei. Ich habe auch mal einen schlechten Tag, an dem mich der ein oder andere Kommentar verletzt, aber ich habe gelernt, darüber zu stehen. Mein guter Freund MrTrashpack hat mal etwas sehr Weises zu mir gesagt: Die Menschen haben einen schlechten Tag, kommen nach Hause und müssen irgendwo ihren Frust loswerden. Solange das ganz harmlos unter meinem Video passiert, stehe ich gerne dafür zur Verfügung. So ungefähr. Das fand ich super.

Wenn du deinen Zuschauern eine Sache ganz direkt sagen könntest, ohne auf witzig machen zu müssen, und die würden das dann auch geschlossen einhalten – was wäre es?

Nehmt euch selber und eure Umwelt nicht allzu ernst und geht immer freundlich auf eure Mitmenschen zu. Man weiß nie, wer grade eine harte Zeit durchmacht. Das sind die zwei Dinge, die mir spontan einfallen, um für sich selbst, abgesehen von äußeren Einflüssen, ein glückliches Leben zu führen.

Wurdest du schon mal so richtig gestalkt?

Nicht so richtig. Natürlich wurden mir schon Google-Earth-Bilder mit rotem Pfeil zu meinem Zimmerfester per E-Mail geschickt, Präsentkörbe vor die Tür gelegt und Briefe an meine private Adresse geschickt, aber als richtiges Stalking kann man das ja nicht bezeichnen. Wenn ich ein bestimmtes Verhalten nicht gut heiße, dann ignoriere ich es. Normalerweise hört das nach einer bestimmten Zeit von alleine auf. Ich wohne aber auch noch sehr versteckt und behütet in einer kleinen Stadt in Bayern. Von YouTubern, die in Köln oder Berlin leben, hört man andere Geschichten.

Ist es nicht nervig für weibliche YouTuberinnen, wenn die gefühlte Mehrheit einfach nur ihre Brüste sehen will?

Am Anfang haben mich solche Kommentare schon sehr belastet. Ich habe in Videos nur weite, hochgeschlossene T-Shirts getragen, weil es mir sehr wichtig war, dass die Zuschauer meine Videos wegen meiner Person und nicht wegen meiner Brüste anklicken oder weil ich halt ein Mädchen bin, wooow. Mittlerweile sind das Old News und nichts besonderes mehr.

Ein dummer Witz, den der 600.000ste 11-Jährige unter meinem Video macht. Wenn ich auf sowas eingegangen bin, dann nur, um mich darüber lustig zu machen, wie lustig sich die Verfasser fühlen, während sie diesen Kommentar verfassen. Das ist mittlerweile aber auch schon langweilig.

Als Vorteil genutzt habe ich das bis jetzt nur ein einziges Mal: In 10 Dinge, die Mädchen tun (aber niemandem erzählen), aber auch nur weil es einfach die Wahrheit ist und gut zum Thema gepasst hat. Es ist was anderes, seine Brüste ins Spiel zu bringen, weil es zum Thema passt oder ein Video zu machen, um seine Brüste zu zeigen, denke ich.

Wie stehen die Chancen, dass du in den YouTube-Kommentaren deinen Traummann findest?

Oh, eher schlecht. So ein YouTube-Kommentar gibt einem nicht wirklich viel preis, nicht einmal, wenn es unter allen anderen heraussticht. Außerdem ziele ich es nicht darauf ab, meinen Traummann auf YouTube zu begegnen. Ich weiß nicht, wie es wäre, wenn jemand bewusst Videos macht, um unter den Zuschauern einen Partner zu finden... Interessantes Konzept. Sollte mal jemand versuchen. So richtig mit das Date dann vloggen und so. Nichts für mich, aber würde bestimmt funktionieren.

Was waren die kreativsten Anmachsprüche, die du jemals in den Kommentaren bekommen hast – und welche die miesesten?

Die kreativsten kann ich jetzt gar nicht benennen. Ist mir trauriger Weise nicht im Gedächtnis geblieben. Dafür habe ich ein ganzes Video über die miesesten „Anmachsprüche“ gemacht! Is’ bestimmt Ü18 – Kelly liest perverse Kommentare #24.

Schon mal Penisfotos in der Inbox gehabt?

Zum Glück nicht, glaube ich. Könnte aber auch sein, dass ich einfach nur die falschen Nachrichten öffne, hehe.

Kommunizierst du deinen Zuschauern ganz offen, wenn du in einer Beziehung bist – oder verheimlichst du das lieber so total boybandmäßig?

Ich würde kein öffentliches Statement abliefern, dass ich jetzt vergeben bin und an wen oder so. Ich würde es aber auch nicht verheimlichen. Die Dinge würden einfach ihren Lauf nehmen und die Zuschauer, die sich dafür interessieren, sollen sich ihren eigenen Teil dazu denken. Eine Beziehung zu verheimlichen ist anstrengend, es schränkt vieles ein und das ist keine schöne Atmosphäre für Liebe, finde ich. Man muss das Ganze aber auch nicht an die große Glocke hängen, das stresst auch. Es gibt aber sicherlich Pärchen, die gerne mit sowas umgehen und dann können sie das auch so machen. Jedem das Seine.

Würdest du dich selbst als Feministin bezeichnen?

Ich denke, in jeder Frau schlummert ein Feminist. Welcher Mensch will denn aus freiem Willen nicht sozial, politisch und wirtschaftlich gleichgestellt zu seinen Mitmenschen sein? Ich denke, viele haben Angst vor dem Wort Feministin, weil es irgendwie negativ belastet ist. Dabei bedeutet es erstmal nichts anderes als die Forderung zur Gleichberechtigung der Geschlechter. Das sollte niemand schlecht finden.

Ich weiß, diese Frage hörst du wahrscheinlich von jedem, aber ich weiß es immer noch nicht: Kann man von YouTube leben?

Wenn man genügend Klicks macht, kann man durch Werbung, die vor den Videos läuft, Product Placements oder externen Auftritten bei Events genug Geld verdienen, dass man davon Leben kann, ja.

Viele YouTuber produzieren ja CDs, Bücher und anderes Merchandise – und geben sogar Konzerte. Wo bleiben die Kelly-T-Shirts – und wann gehst du endlich auf Tour?

Wenn ich sowas mache, dann will ich es auch richtig cool und gut machen. Ich lasse mir für solche Dinge viel Zeit, deswegen kann ich dir das leider nicht sagen. Aber du bekommst die CD, das Buch und ein T-Shirt natürlich sofort zugeschickt!

Genau das wollte ich hören. Mit welchem internationalen YouTuber würdest du gern mal ein Video drehen?

Ich würde unglaublich gerne eine Folge „My Drunk Kitchen“ mit Hannah Hart drehen, Daily Videos und Challenges mit Grace Helbig machen und mit Mamrie Harts Hund spielen. Diese drei Frauen sind meine absoluten YouTube-Vorbilder, weil sie ohne Special Effects, aufwändige Kamerafahrten oder gescriptete Sketche einfachen und super lustigen Content liefern.

Welche Tipps gibst du jungen, und vielleicht auch älteren, Menschen, die auf YouTube Erfolg haben wollen?

Probiert alles aus, lernt von Video zu Video dazu und habt ganz viel Spaß. Das Wichtigste an einem Video, finde ich, ist, dass man die Leidenschaft hinter dem, was man produziert, sieht. Und lasst euch vor allem nicht von den Videos großer YouTuber abschrecken. Man hat eben nicht von Anfang an gleich das Megateam, das einen unterstützt. Einfach sein eigenes Ding machen, die Zeit bringt einem alles bei, was man wissen muss.

So, genug von YouTube. Was machst du eigentlich sonst noch so?

Das ist schwierig. Alles, was ich mache und was mir Spaß macht, dokumentiere ich ja auf YouTube. Das nimmt also eigentlich mein ganzes Leben ein. Das einzige Mal, dass keine Kamera dabei ist, ist, wenn ich meine Nicht-YouTube-Freunde treffe oder meine tschechische Familie besuche. Da mein Hobby gleichzeitig mein Beruf ist, mache ich nichts nebenher. Selbst wenn ich reise, was sich zu einer großen Leidenschaft entwickelt, im Moment, mache ich Videos drüber. Wenn ich über mein Leben rede, ist YouTube nunmal nicht mehr auszuschließen und fließt überall mit ein.

Ich versuche jetzt jede Woche mindestens ein Buch zu lesen, aber das Internet lenkt mich immer wieder ab, schon nach den ersten drei Seiten. Hast du ‘nen Tipp für mich?

Dann wird es nicht das richtige Buch für dich sein. Ich lese selber nur Bücher, die mich sofort fesseln, da denke ich gar nicht mehr ans Internet. Allgemein muss man sich einfach bewusst darüber werden, was für eine Entspannung es ist, mal nicht 24 Stunden auf Facebook online und rund um die Uhr erreichbar zu sein. Vor allem, wenn das Internet quasi dein Job ist. Handy in eine Ecke werfen, Laptop zuklappen und sich selber runterfahren.

Was sind deine Lieblingsseiten im Netz?

Meine Lieblingsseite ist eindeutig Tumblr. Der Humor auf dieser Plattform ist einfach unschlagbar. Es ist quasi die Quelle des Internethumors. Alles, was auf 9Gag, Facebook etc. viral geht, gab es Wochen zuvor schon auf Tumblr. Außerdem bekommt man einen Einblick in die verrücktesten Fandoms, in denen Nutzer Folgen einer Serie Frame für Frame auseinander nehmen und analysieren, diskutieren. Macht total Spaß, die verschiedenen Meinungen zum Weltgeschehen unter eindrucksvollen Bildern zu lesen. Tumblr ist einfach cool!

Ich kann sowohl Kanye West als auch Kim Kardashian nicht ab. Welchem Promi würdest am liebsten eine mitgeben, wenn du ihn auf offener Straße sehen würdest?

Keinem. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich selber oft sehr oberflächlich bewertet werde, oder ob’s mich einfach nicht genug kümmert, was Promis machen, um mich darüber aufzuregen, aber ich fühle mich von Personen der Öffentlichkeit echt nicht genug gereizt.

Interessierst du dich für Politik?

Mein Problem war, dass ich in der Schule Sozialkunde verabscheut habe, wo man politische Themen anspricht und darüber diskutiert, weshalb ich mich außerhalb der Schule auch lieber mit YouTube beschäftig habe als mich fürs Weltgeschehen zu begeistern. Mittlerweile ändert sich das langsam.

Allerdings interessiert mich im Moment Politik der Vergangenheit, ich hole meine Geschichtskenntnisse nach. Ebenfalls ein Fach, auf das ich in der Schule nicht viel Wert gelegt habe. Ich denke, ich werde mich vorarbeiten. Ich merke, dass das politische Interesse tatsächlich mit dem Erwachsenwerden wächst.

Sagen wir mal, der Playboy würde dir 100.000 Euro bieten, damit du blank ziehst. Würdest du’s machen?

Nein, das hebe ich mir für den Moment auf, an dem ich so verzweifelt Ruhm suche, dass ich mich sogar dafür ausziehe. Also nicht alle Frauen machen ein Playboy-Shooting nur aus diesem Grund, aber ich hebe mir das auf. Das ist schlau. Okay?

Würdest du ins Promi-Big-Brother-Haus einziehen?

Nö, ich will nicht 24 Stunden am Tag beobachtet werden. Das wäre mir einfach zu unangenehm. So offen bin ich dann doch nicht.

Wie sieht deine Zukunft aus?

Ich weiß nicht so genau. Ich mag es eigentlich gar nicht zu weit voraus zu planen und lasse das meiste einfach auf mich zukommen. Das Einzige, was ich für meinen Kanal plane, ist vielleicht etwas öfter ernstere Themen anzusprechen. Am liebsten in Kurzfilmform. Persönlich: viel Reisen, sich mit anderen Kulturen konfrontieren und Menschen kennen lernen, die ein ganz anderes Leben führen und sich mit ihnen austauschen.

Wahrscheinlich habe ich heute öfter das Wort YouTube benutzt als je zuvor. Lust auf ‘ne Tasse grünen Tee?

Sehr gerne! Aber ich würde liebe Pfefferminztee trinken, wenn der auch zur Auswahl steht. Der schmeckt mir einfach besser. Nichts gegen grünen Tee. Grüner Tee ist auch super.

Sonntag, der 4. November 2018

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